RA Driever schildert die Rechtslage: "Digitale Begleiter" in der Altenpflege

Bremen, 06.03.2010 (kkk).

Wie es der Gesetzgeber sieht: Bedarf der Einsatz von Personenortungssystemen einer gerichtlichen Genehmigung? Detlef Driever, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht schildert die Rechtslage.

Im letzten Jahr stießen wir mit der Frage: Bedarf die Nutzung eines Personenortungsgerätes in der Altenpflege der gerichtlichen Genehmigung? noch auf große Ablehnung. So recht wollten sich einige Verantwortliche von Pflegediensten und -einrichtungen nicht zu diesem „brisanten Thema“ äußern. Und schon gar nicht würde man dieses Thema öffentlich diskutieren wollen. Unsere Redakteurin Martina Scheffler brach mit ihrem Artikel in unserer Oktober-2009-Ausgabe dann doch die „verhärteten Fronten“ auf. Es war ein Umdenken zu erkennen. Hilfreich war dabei ganz sicherlich auch das Angebot eines unverfänglichen Kennenlernens beider „Parteien“. In unserer Redaktion entstand der Gedanke, Betreuern für ein paar Wochen solche „digitalen Begleiter“ in die Hand zu geben, um sie in der Praxis ausprobieren zu können. Einrichtungen, die Interesse an unseren kostenlosen und unverbindlichen Testreihen haben, können sich übrigens bei uns in der Redaktion melden. Wie so vieles im Leben, kommt mit der Information auch die Bereitschaft, Neues auszuprobieren.  So steigt mehr und mehr das Interesse an diesen digitalen Helfern. Doch dann ist immer noch eine Frage offen, die Unsicherheit verursacht: Muss ich eine gerichtliche Genehmigung erwirken, wenn ich diese Hilfsgeräte einsetze?

Die Antwort auf diese oft gestellte Frage gibt Ihnen Detlef Driever, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht.

Bloße BeaufsichtigungIn der Altenpflege werden bei dementen oder in sonstiger Weise in ihrer Kognition eingeschränkten Heimbewohnern zunehmend Funkortungssysteme eingesetzt. So genannte Funkchips werden den betroffenen Personen entweder umgehängt, an der Kleidung angebracht oder zum Teil auch in die Schuhe eingesetzt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob dies eine freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne des § 1906, Abs. 4 BGB ist, die einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedarf. Gemäß § 1906, Abs. 4 BGB ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

In der juristischen Literatur werden Funkortungssysteme ganz überwiegend nicht als freiheitsentziehende Maßnahmen betrachtet (vgl. Nachweise bei OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2006 – 11 Wx 59/05 –, juris). Die bislang einzige obergerichtliche Entscheidung teilt diese Auffassung (OLG Brandenburg, a.a.O.; ebenso AG Meißen, Beschluss vom 27.04.2007 – 5 X 25/07 –, FamRZ 2007, 1911, jew. m.w.N.).
Zu Recht wurde in den genannten Entscheidungen darauf hingewiesen, dass die Ausstattung der Betroffenen mit einer Sendeanlage noch keine Freiheitsentziehung, sondern eine bloße Beaufsichtigungsmaßnahme ist, für deren Zulässigkeit die Zustimmung des Betreuers ausreicht.

Zustimmung des Betreuers

In einer neueren Entscheidung vertrat nunmehr das Landgericht Ulm eine differenzierte Auffassung (LG Ulm, Beschluss vom 25.06.2008 – 3 T 54/08 – juris, Besprechung dazu von Klie in Altenheim Juni 2009, 31). Danach ist das mit Einwilligung des Betreuers oder Bevollmächtigten erfolgte Anbringen eines Funkchips grundsätzlich keine freiheitsentziehende Maßnahme. Das soll nur dann nicht gelten, wenn das Personen-Ortungssystem zum regelhaften Zurückhalten der Person beim Verlas-
sen des Hauses genutzt werden soll. In diesem Fall, wenn der Bewohner stets und fast ausnahmslos am Verlassen des Heimes gehindert werden soll, ist von einer faktischen Unterbringung auszugehen, die der gerichtlichen Genehmigung bedarf.

Sinnvolle technische Hilfe

Dieser differenzierten Auffassung ist zuzustimmen. In vielen Fällen können und sollen an Demenz erkrankte Personen sich auch außerhalb des Heimes selbstständig bewegen.
Häufig sind die dementen Bewohner durchaus noch dazu in der Lage, sich eigenständig zu orientieren. Das Funkortungssystem dient lediglich der Bestimmung des Aufenthaltsortes, wenn z. B. „an schlechten Tagen“ der Rückweg nicht selbstständig geschafft werden kann.
In diesen Fällen handelt es sich ohne Zweifel nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme, sondern um den Einsatz eines technischen Hilfsmittels, das die persönliche Betreuung durch das Pflegepersonal sinnvoll ergänzt.

Optimum an persönlicher Freiheit

Trotz der gesundheitlichen Einschränkungen bleibt ein Optimum an persönlicher Freiheit und Sicherheit gewährleistet. Rechtliche Bedenken gegen den Einsatz von Personen-Ortungssystemen stellen sich nicht, solange sie unter diesen Gesichtspunkten eingesetzt werden.

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