Stresstest für Roboter: Prüfmethode für komplexe Industriesysteme

Stuttgart, 14.02.2014.

Komplexe Bauprojekte zeigen, wie wichtig es ist, möglichst früh alle Szenarien der späteren Nutzung durchzuspielen und die Planung darauf auszurichten. Wie ein Bauherr kann auch die Industrie genauer und kostengünstiger planen, wenn sie ihre Produkte früh im Entwicklungsprozess einem sogenannten virtuellen Stresstest unterzieht. Das Forschungsprojekt EffektiV hat zum Ziel, so eine Prüfmethode zunächst für die Automatisierungsindustrie zu entwickeln.

Gesamtsystem gegen Fehler absichern
Im ersten Schritt entwickelt das Forschungsteam ein Prüfverfahren für sogenannte Motion-Control-Systeme. Das sind Systeme, die in der Automatisierungsindustrie elektronisch die Bewegungen beispielsweise von Förderbändern und Roboterarmen regeln. Motion-Control-Systeme bestehen aus einer Vielzahl an Komponenten, die reibungslos ineinander greifen müssen. Doch was geschieht, wenn während des Betriebs bei einer dieser Komponenten ein Fehler auftritt? Zum Beispiel könnten einzelne Chips in einem Steuergerät ausfallen, ein Motor könnte sich aufgrund eines Lagerschadens erhitzen oder ein Sensor fehlerhafte Daten liefern. Solche Fehler dürfen weder zu einem Ausfall des Gesamtsystems führen noch einzelne Bauteile zerstören. Ebenso muss verhindert werden, dass beispielsweise ein ausschlagender Roboterarm Menschen verletzen kann.

Tests an virtuellen Prototypen
Mit der im Projekt EffektiV entwickelten Methode lassen sich Motion-Control-Systeme schon in einer frühen Entwicklungsphase auf Herz und Nieren prüfen – anhand virtueller Prototypen. Vor dem realen Prototyp wird ein virtuelles Modell des Systems erstellt. An diesem Modell werden alle relevanten Fehlerszenarien durchgespielt. So lassen sich Fehler vermeiden und das Gesamtsystem wird robuster und sicherer. Derzeit arbeitet die Automatisierungsindustrie noch mit klassischen Hardware-Prototypen. Das heißt, die unterschiedlichen Komponenten werden relativ spät im Entwicklungsprozess zusammengefügt und dann als Gesamtsystem getestet. „Virtuelle Modelle sind viel früher und umfassender überprüfbar als die bisherigen Hardware-Prototypen. Das reduziert die Zahl der Entwicklungszyklen und vermeidet kostspielige Nachbesserungen“, sagt Dr. Jan-Hendrik Oetjens, der das Projekt EffektiV bei der Robert Bosch GmbH koordiniert. Gerade bei neuen, sehr komplexen Produkten ist das Risiko einer spät entdeckten Fehlfunktion groß und ein Stresstest deshalb besonders sinnvoll.

Sicher trotz steigender Komplexität 
Auch wenn die Methode für die Automatisierungsindustrie entwickelt wird, soll sie in vielen weiteren Industriezweigen anwendbar sein. Zum Beispiel kann sie helfen, in Fahrzeugen das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP®, Fahrerassistenz- oder Airbagsysteme noch sicherer zu machen. Das Projekt EffektiV trägt dazu bei, die deutsche Wirtschaft für „Industrie 4.0“ zu rüsten. Der Begriff bezeichnet die Industrieproduktion der Zukunft, die stark vernetzt und deshalb auch sehr komplex ist: Produkte steuern ihren Fertigungsprozess selbst, je nach individueller Nachfrage. Ermöglicht wird diese Entwicklung durch so genannte cyber-physische Systeme, die reale Objekte mit der virtuellen Welt verbinden. Damit unterstützt EffektiV ein hohes Innovationstempo bei größtmöglicher Betriebssicherheit und verbessert so die Wettbewerbsfähigkeit deutscher High-Tech-Unternehmen.

Drei Unternehmen und vier Forschungsinstitute arbeiten zusammen
EffektiV steht für „Effiziente Fehlersimulation mit virtuellen Prototypen zur Qualifikation intelligenter Motion-Control-Systeme in der Industrieautomatisierung“. Das Projekt hat im Oktober 2013 begonnen. Es ist auf drei Jahre angelegt. Damit möglichst viele Kompetenzen in den Stresstest einfließen und die Methode breit anwendbar ist, arbeiten drei große Unternehmen und vier Forschungseinrichtungen aus Deutschland zusammen. Die Robert Bosch GmbH leitet das Konsortium, die Infineon Technologies AG ist Entwicklungspartner und die Siemens AG Anwendungspartner. Die Aufgabe der Forschungspartner übernehmen das FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe, die Universität Bremen, die Universität Paderborn und die Eberhard Karls Universität Tübingen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Forschungsprojekt EffektiV im Rahmen des Forschungsprogramms IKT 2020 mit mehr als sieben Millionen Euro. 

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