Sensor erkennt Fingerabdruck von jedem Gleisabschnitt im Bahnverkehr

Ruelzheim, 13.09.2022.

Die Bahn ist ein ideales Verkehrsmittel, um Menschen oder Waren klimaschonend von A nach B zu bringen. Doch dämpfen mangelnde Kapazitäten, häufige Verspätungen und teils unvorteilhafte Taktung die Begeisterung vieler Reisender und Logistiker. Könnten innerhalb eines engeren Zeitraums mehr Züge auf demselben Gleis fahren, ließen sich viele dieser Engpässe vermeiden.

Experten von ITK Engineering und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben jetzt eine neuartige Sensorlösung namens MAROS entwickelt, die mittels magnetischen Fingerabdrucks die Position von Zügen genau ermittelt. Das könnte die Kapazität des bestehenden Schienennetzes enorm steigern.

ITK Engineering und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben eine innovative Sensorlösung entwickelt, damit künftig die Kapazität des vorhandenen Schienennetzes deutlich erhöht wird, somit noch mehr Züge unterwegs sein können und der Personal- und Güterverkehr auf der Schiene noch effizienter wird. Der Name: Magnetic Railway Onboard Sensor (MAROS). „Wir wollen dazu beitragen, den Zugverkehr noch effizienter zu machen und den CO2-Fußabdruck von Fahrgästen und transportierten Waren weiter zu reduzieren“, sagt Dr. Tobias Hofbaur, Programmmanager Bahntechnik bei ITK Engineering. „Ein flächendeckender Einsatz verspricht eine um 35 Prozent bessere Auslastung von Schienennetzen“.

Sensor erkennt Fingerabdruck von jedem Gleisabschnitt

Die Funktionsweise von MAROS ist simpel: Auch ein Bahngleis aus Metall hat eine Art Fingerabdruck, der an jeder Stelle ein ganz individuelles Profil aufweist. Der Sensor kann diesen Fingerabdruck genau erkennen. „Mit MAROS werden sich Züge weltweit gleisgenau und kontinuierlich lokalisieren lassen“, sagt Hofbaur.

„Dazu erzeugt der Sensor, befestigt an der Fahrzeugunterseite, ein elektromagnetisches Feld, das von den ferromagnetischen Stoffen wie den Schienen oder dem Befestigungsmaterial der Schienen beeinflusst wird“, erklärt Dr. Martin Lauer vom Institut für Mess- und Regelungstechnik des KIT. „Der Sensor misst, wie stark das elektromagnetische Feld verändert wird. So lässt sich jedem Streckenabschnitt ein exakter elektromagnetischer Fingerabdruck zuteilen.“

Algorithmen ermöglichen kontinuierliche und zuverlässige Lokalisierung von Zügen

Um diese individuelle Ortssignatur nun einer exakten geographischen Position zuordnen zu können, braucht es ein Software-Backend inklusive intelligenter Algorithmen. So muss jede Bahnstrecke mindestens einmal abgefahren und vermessen werden, ehe diese Daten dann mit Kartenmaterial der Zugstrecke übereinandergelegt werden können. Erst dann kann jeder folgende Zug für den Bahnbetreiber präzise lokalisiert werden oder seine Messdaten für weitere Analysen des Infrastrukturbetreibers an das Backend senden.

ITK Engineering und das KIT arbeiten seit 2020 an diesem ferromagnetischen Messansatz. Während die Karlsruher Universität zuständig ist für den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Technologie effizient funktioniert, kümmerte sich ITK Engineering um den Bau eines Prototypen, um das Software-Backend und ist nun für Testfahrten und die Industrialisierung der Technologie verantwortlich. Während der Zusammenarbeit haben ITK und das KIT höchstes Augenmerk auf die Aspekte Sicherheit und Verfügbarkeit gelegt. So entspricht MAROS den CENELEC-Bahnnormen sowie der höchsten Sicherheitsstufe SIL4 und bietet höchste Präzision und Zuverlässigkeit für ETCS Level 3, Automatic Train Operation (ATO) und Communication-Based Train Control (CBTC).

MAROS: kostengünstiger, präziser und zuverlässiger als alternative Lösungen

Defizite heutiger, weltweit eingesetzter Lösungen, um die Position von Zügen zu bestimmen, umgeht der MAROS: Im Gleis verbaute Informationsträger (Balisen) sind zuverlässig, aber teuer. Kamerasysteme haben den Nachteil, dass sie bei Nacht oder Schneefall nur eingeschränkt funktionieren. GPS-Signale stoßen in Tunnels, Gebirgstälern oder Häuserschluchten an ihre Grenzen. Außerdem lässt sich durch sie nicht sicher erkennen, welches von mehreren nebeneinanderliegenden Gleisen befahren wird. „Aber eben diese genaue Lokalisierung ist für den Eisenbahnbetrieb zwingend notwendig und lässt sich über den MAROS erreichen“, sagt Lauer. Wetter oder Einschränkungen der Signalstärke wie bei GPS spielen keine Rolle. Da keine mechanischen Teile verbaut sind, bleibt die Lösung auch wartungsarm.

Erste erfolgreiche Testfahrten in Österreich

Auf unterschiedlichen Streckenabschnitten in Österreich haben bereits Testfahrten stattgefunden. Die Experten konnten auf Teilen der West- sowie Nordbahn in der Nähe von Wien belegen, dass der Sensor funktioniert. „Bis zum Jahresende planen wir weitere Testfahrten, um die Funktion an unterschiedlichen Lokomotivtypen und auf neuen Streckenabschnitten zu erproben“, erklärt Hofbaur. Testfahrten in anderen Ländern stehen dann genauso auf der Agenda wie die Frage, auf welche Art und Weise sich der Sensor an die Cloud anbinden lässt. Auf dem Markt verfügbar soll der Sensor bis Anfang 2025 sein. Dann könnte er nicht nur für die Lokalisierung genutzt werden, sondern auch für weitere Anwendungsfälle wie exakte, schlupffreie Geschwindigkeitsmessung, Smart Maintenance oder auch für das Automatisierte Fahren von Zügen. Quelle: ITK Engineering GmbH

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