Lösungen aus der Human-Telematik für eine bessere Versorgung

Berlin, 23.03.2016.

Immer mehr medizinische Einrichtungen in Deutschland nutzen leistungsfähige Telemedizin-Lösungen, um Diagnostik und Patientenversorgung zu verbessern. Bei der conhIT 2016 in Berlin zeigen die Gesundheits-IT-Hersteller, wie sich Telemedizin heute sicher und standardisiert umsetzen lässt. Bei den regulatorischen Rahmenbedingungen sind allerdings noch Fragen offen. Und auch bei der Vergütung gibt es noch viele Baustellen.

Für zahlreiche Krankenhäuser in Deutschland sind telemedizinische Versorgungsszenarien in den letzten Jahren Alltag geworden. Das gilt für die Teleradiologie, bei der Radiologen CT-Bilder befunden, die in anderen Einrichtungen angefertigt wurden. Immer stärker werden telemedizinische Netzwerke aber auch für nicht-radiologische Fragestellungen genutzt, beispielsweise um Zweitmeinungen in Unfallchirurgie, Augenheilkunde oder Onkologie einzuholen.

Digitale Befundkommunikation ist für viele schon Alltag

Wie attraktiv digitale telemedizinische Netzwerke sein können, illustrieren Plattformen, wie z. B. die Online-Plattform TKmed der Akademie der Unfallchirurgie in München oder der Westdeutsche Teleradiologieverbund mit Sitz in Bochum. „Im Westdeutschen Teleradiologieverbund tauschen mittlerweile über 200 Einrichtungen pro Monat rund 13.000 Untersuchungen aus“, betont Marcus Kremers, Geschäftsführer der MedEcon Telemedizin GmbH, die das schwerpunktmäßig in Nordrhein-Westfalen agierende Netzwerk koordiniert. 2300 Verbindungen zwischen Einrichtungen werden aktiv genutzt, was darauf hindeutet, dass es nicht nur einige wenige Vielnutzer gibt, sondern dass sehr viele angeschlossene Einrichtungen regelmäßig digital kommunizieren.

Dabei erschließen sie sich zunehmend neue Anwendungsfelder: „Wir beobachten zum Beispiel, dass mehr und mehr Rehabilitationseinrichtungen über unsere Plattform Vorbefunde anfordern“, so Kremers. Interesse zeigen auch Kardiologen, die über das Netzwerk Katheterfilme versenden, teils mehrere Gigabyte groß. Mit zunehmender Nutzung steigen dabei die Ansprüche, und so entwickeln sich die Telekonsilnetze weiter. Der Westdeutsche Teleradiologieverbund denkt derzeit über die Einrichtung von Portalen nach, die es auch Patienten erlauben, eigene Untersuchungen an Kliniken und Praxen zu senden. Andere Netzwerke arbeiten an ähnlichen Konzepten.

Robuste Technik, Lücken bei den Rahmenbedingungen

Technisch wurden in den vergangenen Jahren vor allem in der Teleradiologie robuste Standards erarbeitet, die den Aufbau leistungsfähiger Netzwerke erleichtern. Der DICOM-E-Mail-Standard erlaubt eine rasche und aufwandarme teleradiologische Vernetzung von Einrichtungen. Daneben steht mit IHE XDS ein Standard für komplexere Versorgungsszenarien zur Verfügung.

Nicht ganz so robust ist bisher der regulatorische Rahmen. So gibt es in der Teleradiologie für die anstehende Novelle der Röntgenverordnung unterschiedliche Konzepte. „Die Teleradiologie sollte zulassungspflichtig bleiben. Die Deutsche Röntgen-Gesellschaft (DRG) plädiert auch für ein striktes Regionalprinzip, bei dem der befundende Radiologe im Notfall vor Ort sein kann“, betont DRG-Vorstandsmitglied Professor Norbert Hosten von der Universitätsmedizin Greifswald. Lockerungen kann er sich dagegen an anderer Stelle vorstellen: „Wer die Nachtdienst-Fachkunde Strahlenschutz besitzt, sollte auch teleradiologische Befunde erstellen dürfen. Alles andere macht die Erbringung solcher Leistungen unnötig kompliziert. Allerdings sollten teleradiologische Untersuchungen an die Qualifikation von fachkundigen MTRA gebunden sein“, so Hosten.

Andere Player im Markt sehen das anders und plädieren für ein weniger strenges Regionalprinzip, dafür aber für ein Festhalten an der vollen Fachkunde Strahlenschutz. „Aus Sicht der Industrie ist entscheidend ist, dass ein möglichst breiter Konsens erreicht wird, der dann auch hält, damit die Unternehmen Planungssicherheit haben“, so Ekkehard Mittelstaedt, Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT e.V. (bvitg e.V.)

Ambulante Erstattungsziffern für die Telemedizin werden Realität

Deutlich unklarer als beim Spezialfall Teleradiologie ist der regulatorische Rahmen bei anderen telemedizinischen Dienstleistungen. Doch es gibt Fortschritte: „Die Bundesärztekammer hat zum Jahreswechsel das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung der Musterberufsordnung präzisiert und dabei klargestellt, dass Telekonsile zwischen Ärzten, aber auch das Telemonitoring mit und ohne Einbindung eines Telemedizinzentrums, mit den Berufsordnungen der Ärzte kompatibel sind“, betont Professor Christian Dierks, Fachanwalt Medizinrecht von der Kanzlei Dierks+Bohle in Berlin.

Probleme sieht Dierks allerdings mit dem Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften heraufziehen, das derzeit als Entwurf vorliegt: „Hier sollen telemedizinische Dienstleistungen im Heilmittelwerbegesetz als Tele-Shopping definiert werden, was unter anderem bedeutet, dass dafür nicht geworben werden kann. Das ist im Zeitalter der digitalen Medizin keine sinnvolle Regelung.“ Kritisch sieht der Anwalt auch geplante Änderungen im Arzneimittelgesetz, wonach Apotheker Rezepte nur noch nach persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt einlösen dürfen.

Was die Erstattung telemedizinischer Leistungen angeht, hat die Bundesregierung mit dem am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen E-HealthGesetz zumindest für teleradiologische Konsile sowie für die VideoSprechstunde zwischen Arzt und Patient klare Perspektiven geschaffen: Ab 2017 soll es für diese telemedizinische Dienstleistungen ambulante Abrechnungsziffern („EBM-Ziffern“) geben. Zum Jahreswechsel wurde außerdem bekannt, dass sich Krankenkassen und Kassenärzte endlich auf eine erste Abrechnungsziffer für die telemedizinische Anfrage von Herzimplantaten geeinigt haben. All das sind aus Industriesicht wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Auch auf der conhIT 2016 wird Telemedizin ein wichtiges Thema sein und unter anderem bei folgenden Veranstaltungen im Mittelpunkt stehen:

  • Krankenhaus-Exkursion Telemedizin in der Schlaganfall-Akutversorgung (20.4.2016)
  • Krankenhaus-Exkursion Telepathologie (21.4.2016)

 

Quelle: Bundesverband Gesundheits-IT e. V. (bvitg e. V.)

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