Besserer Kundenservice und eine optimierte Produktion mit Data Mining

Stuttgart/Renningen, 05.10.2015.

Ein neuer Rohstoff bestimmt die Leistungskraft der Wirtschaft. Anders als Stahl, Gold oder Kunststoff ist er aber weder zu greifen noch zu sehen. Es geht um den stetig wachsenden Datenstrom aus vernetzten Fabriken, vernetzten Autos oder vernetzten Produkten. Richtig genutzt, bietet er großes Potential für einen besseren Kundenservice sowie optimierte Produktionsprozesse und somit für mehr Wettbewerbsfähigkeit. 

Bosch-Wissenschaftler Dr. Lothar Baum. Bild: Bosch

„Die Fähigkeit, aus großen Datenmengen neues Wissen zu generieren, ist eine Schlüsselkompetenz der Zukunft“, sagt der Informatiker Dr. Lothar Baum. Er leitet am neuen Forschungscampus von Bosch in Renningen ein Expertenteam, das sich mit der gezielten Auswertung des zunehmenden Datenvolumens (Data Mining) beschäftigt. Konkret erforscht Baum unter anderem Ansätze, wie sich mit Data Mining die vernetzte Industrie optimieren lässt.

Centbeträge summieren sich zu Millionen Euro
„Daten sind das neue Öl der Weltwirtschaft“, sagt Baum. Ein konkretes Beispiel: Bosch hat durch die Auswertung von Daten aus der Fertigung die Prüfzeit von Hydraulikventilen um 17,4 Prozent verkürzt. Solche enormen Einsparnisse sind in oft bereits weitgehend optimierten Fertigungen ein sehr großer Fortschritt. Bei rund 40 000 gefertigten Ventilen pro Jahr werden jetzt 14 Tage eingespart. In diesem Fall schuf der Blick in die Produktionsdaten von 30 000 gefertigten Hydraulikventilen das neue Wissen. Es zeigte sich, dass zeitlich später in der Prüfreihenfolge angesiedelte Schritte entfallen konnten, wenn zuvor mehrere früher angesiedelte Prüfungen positiv ausfielen. Das Resultat des späten Prüfschrittes ließ sich zuverlässig aus der Analyse der vorausgehenden vorhersagen. Solche – und zumeist wesentlich komplexere – Zusammenhänge aufzudecken, spart Zeit und Geld. „Bei Millionen Teilen summieren sich selbst wenige Sekunden zu beachtlichen Zeiten und Centbeträge zu Millionen Euro“, sagt Baum. Jede Ersparnis stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Attraktivität der produzierten Erzeugnisse.

Zwei Expertenteams
Hierfür hat sich Bosch strategisch aufgestellt. Es gibt gleich zwei spezialisierte Gruppen, die sich mit Data Mining befassen. „Auf der einen Seite gehen wir das Thema in der zentralen Forschung und Vorausentwicklung methodisch an“, sagt Baum. „Zusammen mit meinen Forscherkollegen hier in Renningen und im kalifornischen Palo Alto schaffen wir in erster Linie neue Algorithmen und Computerstrukturen, um bestmöglich mit großen Datenmengen umgehen zu können.“ Darüber hinaus gibt es ein weiteres Team, das innerhalb der Bosch-Gruppe die Ergebnisse der Forschung mit den Geschäftsbereichen und den mehr als 250 Bosch-Werken weltweit in praktische Lösungen umsetzt. „Wir wenden die neuen Algorithmen auf konkrete Aufgabenstellungen an und schaffen so kommerziellen Wert aus Daten, zum Beispiel als Kostenersparnis durch die Reduktion von Zykluszeiten und Ausschussraten in der Fertigung“, sagt Teamleiter Dr. Hauke Schmidt, der für diesen Transfer in die Praxis sorgt. Seine Kollegen sitzen im Silicon Valley und im indischen Bangalore.

Bosch betreibt gleich mehrere Cluster
Technisch ist all dies extrem anspruchsvoll. „Die dafür nötigen Algorithmen sind zwar grundsätzlich seit vielen Jahrzehnten bekannt. Aber einerseits konnten Daten bisher nicht in dem heute im Internet der Dinge möglichen Ausmaß gesammelt werden. Andererseits ließen sich die Algorithmen mangels Rechenkraft nicht auf mehrere Milliarden Datenpunkte anwenden“, sagt Baum. Das wird nun möglich, weil aus vielen Servern zusammengeschaltete Cluster auf tausenden Prozessoren parallel an den riesigen Aufgaben rechnen. Bosch betreibt international gleich mehrere solcher Cluster. Dem Menschen kommt dabei die Schlüsselrolle zu: Er muss die Rechner unter anderem so programmieren, dass sie Milliarden Daten effizient und parallel statt nur nacheinander abarbeiten.

Der Handwerker kommt nur noch einmal
Diese Fähigkeiten haben auch die Grundlagen für ein weiteres gutes Beispiel für den Nutzen von Data Mining gelegt: Das Energieunternehmen British Gas verkauft seinen Kunden die Dienstleistung, Wärme und Warmwasser zu liefern. Zahlreiche der von British Gas installierten Boiler von Bosch sind mittlerweile internetfähig und senden viele Daten aus dem laufenden Betrieb an den Energieversorger: Wann ist der Boiler in Betrieb, wie lange, wie schnell zündet die Flamme, wie hoch ist die Wassertemperatur und so fort. „Die Analyse dieser Informationen deckt mögliche Ursachen auf, falls etwa ein Boiler längere Zeit zum Anspringen braucht als bisher“, sagt Baum. „Wenn der Servicetechniker zum Kunden fährt, kann er jetzt gleich das richtige Ersatzteil einpacken, da er bereits weiß, was schadhaft ist. Aktuell kommen die Techniker oft zweimal – zuerst zur Analyse und dann nochmal zur Reparatur.“ So spart British Gas durch die Datenanalyse Geld und die Kunden profitieren von einem schnelleren und besseren Service.“

34 Projekte, international aufgestellt
In weltweit rund 250 Werken betreibt Bosch hunderte Produktionslinien. Viele davon sind bereits vernetzt. Dort liefern Sensoren Daten, Algorithmen erkennen darin drohende Schäden an den Maschinen und geben Hinweise für deren rechtzeitige Wartung. Ungeplante Stillstandszeiten werden vermieden, die Produktivität steigt. Um solche Lösungen zu schaffen, vernetzt Bosch seine Forscher und Entwickler am neuen Standort in Renningen noch besser als zuvor. Zudem wurden bereits 34 Projekte zum Data Mining angestoßen. Weltweit arbeitet ein Kompetenzteam von 40 Experten ausschließlich an solchen Aufgaben und unterstützt damit die Kollegen in der Fertigung bei der Umsetzung entsprechender Projekte. Die Daten-Experten sitzen vornehmlich in Palo Alto, also direkt im Silicon Valley in Kalifornien, und im indischen Bangalore. Zu den internationalen Kooperationspartnern von Bosch auf diesem Gebiet zählen die Stanford University oder die University of Pittsburgh.

Vorteile durch transparenten Produktionsprozess
Bereits heute ermöglicht auch die Big Data-Komponente der Bosch IoT Suite, große Datenmengen zu untersuchen und auszuwerten. Die Internet of Things (IoT)-Suite ist eine umfassende Softwarelösung, mit der sich Anwendungen im Internet der Dinge entwickeln, bereitstellen und betreiben lassen.

Neue Aufgaben für neue Fachleute
Mit dem zunehmenden Einsatz des Data Mining steigt bei Bosch auch der Bedarf an qualifizierten Software-Experten. „Die Datenwissenschaftler müssen sich mit Software auskennen und für spezielle Zwecke auch selbst schreiben können. Sie müssen Mathematik, Statistik und maschinelles Lernen verstehen. Zudem sollen sie sowohl die Produkte als auch deren Herstellung im Detail kennen, um die dabei anfallenden Daten auch richtig deuten zu können“, sagt Baum. Auch daher plant Bosch im laufenden Jahr 12 000 Akademiker einzustellen. Gute Chancen haben dabei außer Ingenieuren besonders Akademiker mit IT-Kenntnissen: Software wird in allen Bosch-Bereichen wichtiger.

Das nächste Ziel: schnellerer Service in der Autowerkstatt
Aktuell arbeiten Baum und seine Kollegen an einer Vorhersage, welche Autos in welchen Jahren mit welchen Problemen zum Bosch Service kommen werden. Werkstätten können sich dann auf benötigte Reparaturen vorbereiten, indem sie beispielsweise die nötigen Ersatzeile bestellen. Sie können so auch ihre Lagerhaltung optimieren. „Für den Autofahrer bedeutet dies einen schnelleren und besseren Service, weil die Ersatzteile bereits in der Werkstatt vorrätig sind und nicht erst bestellt werden müssen. Die dafür nötigen Verfahren zum Auswerten der Daten haben wir bereits. Jetzt vervollständigen wir noch unseren Datenschatz, um sie optimal einsetzen zu können“, sagt Baum. 

 

Quelle: Bosch-Gruppe

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