Assistenzroboter für Pflegebedürftige: TU Ilmenau schließt umfangreiches Forschungsprojekt ab
Die Zahl der Menschen, die auf häusliche Pflege angewiesen sind, steigt stetig. Meist sind es Angehörige, die ihre Pflege übernehmen. Doch veränderte Familienstrukturen und immer häufiger weit entfernt wohnende Angehörige sind ein stetig wachsendes Problem. Auch professionelle ambulante Pflegedienste kümmern sich, je nach Pflegegrad, ein bis dreimal täglich zu Hause um die Pflegebedürftigen. Doch nicht nur sind die Seniorinnen und Senioren außerhalb der Betreuungszeiten auf sich allein gestellt, der zunehmende Mangel an ambulanten Pflegekräften heizt die Pflegekrise zusätzlich an. Patientengerechte technische Assistenzsysteme, die die Pflegebedürftigen und deren Angehörige unterstützen, sind ein Gebot der Stunde.
An dem Forschungsverbundprojekt MORPHIA („Mobiler robotischer Pflegeassistent zur Verbesserung von Teilhabe, Versorgung und Sicherheit in der häuslichen Pflege durch videobasiertes Angehörigennetzwerk“) haben die TU Ilmenau als Koordinatorin und sechs Partner aus Wissenschaft, Technologie und Pflege dreieinhalb Jahre gearbeitet. MORPHIA – das ist nicht nur ein Roboter: Der autonom operierende Assistenzroboter, ausgestattet mit Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten, und ein App-basiertes Kommunikationsnetzwerk, bilden das MORPHIA-System, mit dem alle Aufgaben im Pflegenetzwerk rasch und effektiv abgestimmt und verteilt werden können.
Der Roboter schließt die Kommunikationslücke zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden. Mit ihm können die älteren Menschen per Video oder Chat kommunizieren – mit den Angehörigen oder Freunden zum sozialen Austausch oder mit den Pflegenden zur Unterstützung bei bestimmten Tätigkeiten wie der Einnahme von Medikamenten, an die sie der Roboter auch erinnert. Auch den Transport von Essensmahlzeiten oder persönlichen Gegenständen innerhalb der Wohnung übernimmt der Roboter. Bei eingehenden Anrufen sucht er die Senioren in der Wohnung und wenn diese etwas benötigen, können sie ihn per Rufknopf herbeiholen. Bei all seinen unterstützenden Tätigkeiten hat der Roboter unbegrenzt Zeit und Geduld, er muntert die Seniorinnen und Senioren durch humorvolle Dialoge und Geräusche auf und durch überraschende Effekte und unerwartete Anregungen und Handlungen bereichert er ihren Alltag und nimmt ihnen ein Wenig die Einsamkeit. Weit entfernt wohnende Angehörige können mit einer intelligenten Fernsteuerung in der Wohnung der Seniorinnen und Senioren nach dem Rechten schauen oder diese per Telepräsenz bei bestimmten Tätigkeiten unterstützen.
In einem Langzeittest wurde der MORPHIA-Roboter von 13 Seniorinnen und Senioren mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren in Wohnanlagen der Alten-, Jugend- und Sozialhilfe AWO Ilmenau erprobt. Dabei waren die ganze Zeit über auch die jeweils pflegenden Personen und Einrichtungen eingebunden. So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wertvolle Erkenntnisse über die Nutzung von Pflegeassistenzrobotern im täglichen häuslichen Alltag älterer Menschen, die den Umgang mit modernen Kommunikationstechnologien nicht gewohnt sind, gewinnen. Mit einer Gesamtdauer der Nutzertests von 41 Wochen ohne die Anwesenheit technischer Experten setzt MORPHIA in der Assistenzrobotik auch international neue Maßstäbe.
Bei der Entwicklung des Roboters achteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um MORPHIA-Projektleiter Professor Horst-Michael Groß, Leiter des Fachgebiets Neuroinformatik und Kognitive Robotik der TU Ilmenau, darauf, dass die Technik von den älteren Menschen selbst und auch von ihren Angehörigen einfach zu handhaben ist: „Die Bedienung des MORPHIA-Systems ist per Smartphone, Tablet oder PC von jedem beliebigen Ort aus möglich. Natürlich war es uns auch sehr wichtig, dass der Roboter eigenständig in der Wohnung nach den Senioren suchen kann und seine Fernnavigation durch die Angehörigen und die Pflegeeinrichtungen alltagstauglich und nutzerfreundlich ist. Dies wird, davon bin ich überzeugt, Pflegebedürftige und Pflegende wesentlich enger miteinander vernetzen.“ In der Tat kooperieren Angehörige und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Pflege- und Gesundheitsberufen heute oftmals nicht nur unmittelbar vor Ort, sondern auch über weite Entfernungen hinweg miteinander. Der MORPHIA-Roboter hilft, die Pflegeaufgaben unter allen Beteiligten leichter untereinander abzustimmen und zu verteilen.
Partner des Forschungsprojekts MORPHIA waren:
- Fachgebiet Neuroinformatik und Kognitive Robotik der Technischen Universität Ilmenau
- Alten-, Jugend- und Sozialhilfe AWO AJS GmbH
- CIBEK Technology and Trading GmbH
- MetraLabs GmbH
- SIBIS Institut für Sozial- und Technikforschung GmbH
- Abteilung Pflegewissenschaft der Universität Osnabrück
- YOUSE GmbH Berlin
(Quelle: Technische Universität Ilmenau)