Telematik macht es möglich - Energie aus dem Online-Shop

Paderborn, 02.02.2011 (goh).

Strom lässt sich zwar nicht aus dem Online-Shop downloaden, bestellen allerdings schon. Doch die jährliche Überprüfung des günstigsten Angebots ist längst nicht alles. Für preisbewusste Haushalte wird es künftig interessante weitere Möglichkeiten geben. Telematik wird auch die Haushalte verändern.

Bild: E.ON

Die Energiekonzerne werben mit den Worten „Strom wird intelligent“ für ihre SmartMeter und SmartGrid-Konzepte. Dabei wird natürlich nicht der Strom intelligent, sondern die Art und Weise der Verteilung richtet sich besser als bisher nach dem tatsächlichen Angebot durch konventionelle Kraftwerke, Windparks und Photovoltaikdächer auf Gebäuden. Wind und Sonne sind vom Menschen nicht beeinfluss- und schwer voraussagbar. Um Störungen im Stromnetz durch zeitweise Überangebote zu vermeiden, müssen die Stromanbieter Angebot und Nachfrage ständig messen um die eigene Kraftwerksleistung zu optimieren. Die Verlagerung der Nachfrage in Zeiten, in denen Stromüberschuss besteht, ist ein Mittel der Optimierung. In Zeiten von Kohlekraftwerken die rund um die Uhr produzierten und gewerblichen Abnehmern, die überwiegend tagsüber Strom abnahmen, gab es einen Nachtstromüberschuss.  Doch Menschen ändern ihr Verhalten nur, wenn es einen entsprechenden Anreiz dazu gibt. Der billigere Nachtstrom brachte manchen Haushalt dazu, mit Strom zu heizen und nachts zu waschen. Inzwischen erzeugen große Solarplantagen Strom tagsüber, wenn die Sonne scheint und Fabriken arbeiten rund um die Uhr. Ein fester Nachttarif macht deshalb wenig Sinn. Vielmehr ändert sich das Angebot an Billigstrom je nach Sonnen- und Windangebot über den Tag. Also müsste der Verbraucher immer dann Strom verbrauchen, wenn der Nordseewind bläst und die bayerische Sonne scheint. Das smarte Stromnetz „SmartGrid“ ermittelt diese Informationen und kennt im 15 Minutenrhythmus den aktuellen Strompreis an der Börse Leipzig. Die Stromanbieter könnten also jederzeit aktuell den Abgabepreis an Gewerbe und Haushalte anpassen. Theoretisch ließe sich so unter Ausnutzung der billigen Zeiten eine Menge Geld sparen. Doch in der Praxis wird das kaum funktionieren. Wer wartet mit dem Kochen auf den preiswertesten Moment. Kann man den Eintopf oder die Knödel in 15 Minuten kochen? Nur noch 5-Minuten-Terrine? Welcher Unternehmer kann seine Drehbank oder Presse nach dem Strompreis betreiben? Ziemlich illusorisch.

„Watt by Watt“

Die Telekommunikationsindustrie hat es vorgemacht. Nach der Privatisierung und Liberalisierung der Tarife erschienen Billiganbieter auf dem Markt. Mit der Hilfe von Vorwahlnummern konnte und kann man seinen Billiganbieter auswählen und bei jedem Telefonat entscheiden, über wen man das nächste Gespräch führt. Call-by-Call nennt sich die Methode. Findige Unternehmen bieten so genannte Least-Cost-Router an. Kleine Geräte, die bei jedem Telefonat prüfen, welcher Provider gerade jetzt ein Gespräch zu dem von mir gewünschten Ziel besonders günstig anbietet. Ist das beim Strom auch denkbar? Grundsätzlich schon, denn die Entbündelung von Stromerzeugern, Verteilern und Vertrieb ist realisiert. Als Verbraucher sucht man sich einen Stromhändler aus, nicht den Erzeuger oder Verteiler. Es ist auch denkbar, die Grundlast von Wohnung oder Haus über einen Anbieter zu beziehen, Spitzenlasten wie Waschen, Backen und Sauna jedoch variabel „Watt-by-Watt“ je nach Angebot zu kaufen. Heutige Stromzähler leisten das nicht. SmartMeter können dies technisch, doch „Watt-by-Watt“ Angebote sind bisher nicht am Markt.

Schöne neue Stromwelt?

Für die Energiekonzerne bricht eine neue Zeit mit vielen Herausforderungen an. Statt einer Rechnung pro Kunde und Jahr kann nun eine tagesgenaue Abrechnung gefordert werden, mit Telematik, Fernauslesung und SmartMeter. Verlust des Erzeugermonopols – Konsumenten werden mit Blockheizkraftwerk und Photovoltaik auf dem Dach selbst Strom-Produzenten. Es bleibt für sie aber die Notwendigkeit, das so entstehende heterogene Stromnetz zu managen. Der Sprung zur Abrechnung Watt-by-Watt wäre momentan für die Konzerne wohl zu groß. Die Telekom-Unternehmen waren es zu Zeiten der Liberalisierung immerhin schon gewohnt, sekundengenau abzurechnen, sogar über Ländergrenzen hinweg. Doch Watt-by-Watt wird kommen, und dann schlägt die große Stunde der Online-Anbieter.

Strom bei Amazon kaufen oder bei Ebay ersteigern?

E/Commerce-Plattformen sind Marktplätze, die Angebot und Nachfrage von realen und virtuellen Gütern zusammenführen. Ob Druckerpatrone, Blumenkohl oder MP3-Datei, Anbieter und Käufer finden sich. Der Web-Shop sorgt für einen ordnungsgemäßen Versand der Ware und eine sichere Bezahlung. Ob Lieferung per LKW oder Internet ist nur ein Thema der Versandlogistik. Der Jenaer E-Commerce Lösungsanbieter Intershop bereitet sich auf das Geschäft mit seinem SmartHome-Projekt bereits heute vor. Nach seiner Vorstellung bestellen private Kunden künftig den Strom für einen Waschgang im Strom-Shop online. Bedingung für den Lieferanten ist es beispielsweise, dass der Waschgang bis zu einer vorgegebenen Zeit abgeschlossen ist und der Preis einen bestimmten Prozentsatz über dem Tagesniedrigstpreis nicht übersteigt. Dazu wird vom Konsumenten die Waschmaschine geladen, mit Pulver versehen und auf „Fernstarten“ gestellt. Miele bietet bereits heute „SmartGrid-Ready-Maschinen“ an, die dies leisten können. Sieht der Strom-Online-Händler den richtigen Zeitpunkt gekommen, startet er die Maschine per Telematik über das Internet. Technisch ist das alles kein Problem mehr, es fehlt jedoch noch ein Unternehmen, das den ersten Schritt in diese neue Stromwelt wagt,  denn der Aufwand muss sich für den Verbraucher und den Anbieter lohnen. Der Unterschied zwischen den heutigen Strom Standard- und Billigtarifen ist noch viel zu gering, um die notwendigen privaten Investitionen zu rechtfertigen.

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