Logistikverbände kritisieren Einschränkungen für grenzüberschreitende Transporte und stellen vier konkrete Forderungen

Frankfurt am Main/Berlin/Bonn, 22.02.2021.

Der Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. äußert starke Kritik an den aktuellen Vorschriften für Einreisende nach Deutschland. Sie würden diese die gesamte Transport- und Logistikbranche vor eine Zerreißprobe stellen und ohne Nachbesserungen werde es bei der Versorgung der Bevölkerung zu Engpässen kommen, befürchtet der Verband.

Geinsame Nachbesserungs-Forderungen des BGL, des Handelsverbands Deutschland - HDE und des Deutschen Fruchthandelsverbands e.V.:

  • Sofortiges Ende der unüberschaubaren Verordnungslage auf Bundes- und Länderebene
  • Übersichtliche und einheitliche Kommunikation (geänderter) Melde-/ Test- und Quarantänevorschriften in deutscher und englischer Sprache auf einer bundesweiten Plattform
  • Schaffung einer geeigneten Testinfrastruktur mit Testdokumentation in den zulässigen EU-Sprachen, v.a. an den Grenzen
  • Generelle Ausnahme der "Transport Workers" von Test- und Quarantänepflichten wie in der Empfehlung des Rats der Europäischen Union vom 01.02.2021 kommuniziert

 

Die Forderungen im Detail:

1. Sofortiges Ende der unüberschaubaren Verordnungslage auf Bundes- und Länderebene

Die Vorschriften für Einreisende nach Deutschland werden zum Teil auf Bundesebene (Coronavirus-Einreiseverordnung; Melde-, Test- und Nachweispflichten) und zum Teil auf Länderebene (Quarantäneverordnungen) geregelt. Jedes Bundesland hat dabei unterschiedliche Quarantäneregelungen, weil die zu Grunde liegende Muster-Quarantäneverordnung, die vom Bundesinnenministerium koordiniert wird, nicht bindend ist. Die bestehenden Vorschriften seien laut den Verbänden entsprechend uneinheitlich:

Für Lkw-Fahrer gäbe es in Deutschland (außer in Brandenburg) nirgends die von der EU-Kommission dringend empfohlenen und in fast allen anderen Staaten umgesetzten grundsätzlichen Ausnahmen von Test- und Quarantänepflichten. In manchen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern) müssten Fahrer z.B. nach der Rückkehr aus Virusvariantengebieten (in M-V: auch bei Rückkehr aus Hochinzidenzgebieten) ausnahmslos in Quarantäne. In der Folge fehle das ohnehin knappe Fahrpersonal, um die Lieferkette weiterhin am Laufen zu halten. Diesbezüglich sei die Vorschriftenlage in der ersten Welle im Frühjahr deutlich besser geregelt gewesen.

2. Übersichtliche und einheitliche Kommunikation (geänderter) Melde-/ Test- und Quarantänevorschriften in deutscher und englischer Sprache auf einer bundesweiten Plattform

Die Regelungen seien in ihrer Summe (v.a. durch die unterschiedlichen Länderregelungen) in der Praxis kaum mehr zu durchblicken, bekalgen die Verbände. Insbesondere die 16 unterschiedlichen Länder-Quarantäneverordnungen werden ständig geändert. Die Veröffentlichung im Internet sei von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und es würden konsolidierte Texte fehlen. Es gäbe zudem keine offizielle deutschsprachige Übersicht über die Gesamtheit der Corona-Regelungen, geschweige denn eine englischsprachige Übersetzung für ausländische Fahrer. In anderen EU-Staaten seien solche offiziellen Informationen eine Selbstverständlichkeit. Damit werde rechtskonformes Verhalten in Deutschland zum Glücksspiel. Das gelte für deutsche Unternehmer und ihre Lkw-Fahrer*innen, aber umso mehr für die über 40% gebietsfremden Transportdienstleister.

3. Schaffung einer geeigneten Testinfrastruktur mit Testdokumentation in den zulässigen EU-Sprachen, v.a. an den Grenzen

Die Coronavirus-Einreiseverordnung schreibt Lkw-Fahrer*innen bei Einreise aus Virusvariantengebieten generell und bei Einreise aus Hochinzidenzgebieten im Falle von Aufenthalten von über 72 Stunden die Durchführung eines Corona-Tests bereits vor Überschreiten der deutschen Grenze vor. Die Tests dürfen zudem nicht älter als 48 Stunden sein. Es existiere allerdings keine Testinfrastruktur, v.a. nicht an den Grenzen, die mit dem Lkw angefahren werden kann und wo der Fahrer auch die erforderliche Testdokumentation in einer der zulässigen EU-Sprachen erhalten würde (D/E/F). 

Wenn Einreisetests trotz allem als unumgänglich betrachtet werden sollten, müsse auch die erforderliche Infrastruktur dafür geschaffen werden, fordern die Verbände. Frankreich z.B. fordert Tests von Fahrer*innen, die aus GB und Irland einreisen, hatte aber zuvor mit den beiden betroffenen Staaten über die Einrichtung von Testzentren verhandelt und diese veranlasst. Deutschland hingegen zeige wenig Interesse dafür, wie seine Testvorschriften überhaupt eingehalten werden können, und überlässt es den Lkw-Fahrern und -Fahrerinnen, unterwegs auf eigene Faust geeignete Testmöglichkeiten zu finden. Der Verweis des Bundesgesundheitsministerium auf die Möglichkeit, sich in französischen Apotheken testen zu lassen, sei für die Lkw-Fahrer*innen mit den bis zu 4 Metern hohen, 2,60 Metern breiten und 18,75 Metern langen 40-Tonnern eine unlösbare Aufgabe.

4. Generelle Ausnahme der "Transport Workers" von Test- und Quarantänepflichten wie in der Empfehlung des Rats der Europäischen Union vom 01.02.21 kommuniziert

Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit seien laut den Verbänden einheitliche und unbefristete Ausnahmen für den Güterverkehr notwendig: Die 72 Stunden-Ausnahmen in der Coronavirus-Einreiseverordnung und vielen Länder-Quarantäneverordnungen seien praxisfremd und unzureichend angesichts gesetzlich vorgegebener Lenk- sowie Tages- und Wochenruhezeiten. Hinzu kämen mögliche unvorhergesehene Wartezeiten an Ladestellen oder Autobahnsperrungen z.B. wegen Schnee und Eis. Güterverkehr spiele sich im EU-Binnenmarkt regelmäßig grenzüberschreitend ab. Die EU-Kommission habe daher aufgrund der systemrelevanten Bedeutung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs die sog. Green Lanes eingeführt, die einen reibungslosen Grenzübertritt und das Aufrechterhalten der Lieferketten ermöglichen sollen. Der Rat der EU hat zudem am 01.02.2021 eine Empfehlung ausgesprochen, wonach Grenzschließungen unzulässig sind, soweit sie den Warenverkehr beeinträchtigen, und bestimmt, dass "transport workers" generell von jeglicher Quarantäne- und Testpflicht auszunehmen seien (auch bei Hochinzidenz- und Virusvariantengebieten).

 

Hintergrundinformationen:

Laut Bundesagentur für Arbeit haben 23,2 % bzw. 132.611 der in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigten Lkw-Fahrer einen ausländischen Pass. Über 40% der Transporte in Deutschland werden von gebietsfremden Lkw durchgeführt. Die Ergebnisse der britischen Tests aller nach Frankreich/Niederlande/Dänemark etc. ausreisenden Fahrer seit dem 23.12.2020 zeigen, dass Fahrer, die ihrer Tätigkeit in der Isolation ihrer Kabine nachgehen und unter Corona-Bedingungen auch an Be- und Entladestellen kaum Personenkontakte haben, unterdurchschnittliche Infektionsraten aufweisen und keine Infektionstreiber sind.

BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt resümiert: "Es ist in keinster Weise nachvollziehbar, warum die Bundesregierung nicht analog zur ersten Corona-Welle dem Güterverkehr freie Fahrt lässt, sondern uns in den Versorgungskollaps steuert. Hilfreiche Hinweise aus dem Bundesverkehrsministerium und der Branche werden vom Kanzleramt nicht aufgegriffen. Es scheint, als haben die Entscheidungsträger innerhalb der Bundesregierung schon wieder vergessen, wie systemrelevant die Logistikbranche ist. Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden!"

HDE Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: Der Handel hat gezeigt, dass er gemeinsam mit seinen Partnern auch unter Krisenbedingungen die Versorgung aufrechterhalten kann. Es darf allerdings nicht zum Bruch der Lieferketten durch Sperrung der Grenzen kommen. Gerade im Bereich frischer Lebensmittel brauchen wir durchlässige Transportketten. Bereits längere Staus und Aufenthalte an Grenzen können zum Verderb der Waren führen. Der verlässliche Warentransport muss daher im Fokus der Politik stehen.

DFHV Geschäftsführer Dr. Andreas Brügger: "Die EU hat für unser Leben mittlerweile eine herausragende Bedeutung. Ohne Not die Grenzen zu unseren Nachbarn zu schließen, hilft nicht bei der Bekämpfung der Pandemie, sondern schwächt uns alle nur bei der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern. Natürlich hat der Gesundheitsschutz oberste Priorität, und das gilt für alle Mitbürger gleichermaßen in Europa! Daher brauchen wir Transparenz und vernünftige Regeln - bei der Pandemiebekämpfung und beim Warenverkehr." Quelle: BGL

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