Kategorie:
Messe
Schwerpunktthema:
Telematik
Frankfurt am Main, 22.01.2024. Die Industrie in der EU soll bis 2050
klimaneutral sein. Da es ohne Maschinen keine Produkte gibt, heißt das auch,
dass die Produktionstechnik einen wesentlichen Beitrag leisten muss und
wird, um die industrielle Fertigung auf nachhaltige Geschäftsmodelle zu
transformieren. Im Fokus stehen dabei die Werkzeugmaschinen, ohne die
sich weder Konsumartikel noch Investitionsgüter wie Windkraft- oder
Solarenergieanlagen produzieren lassen. Wie kann die industrielle Fertigung
ganzheitlich effizient, nachhaltig und klimaschonend gestaltet werden? Das
wird auf der NORTEC, Fachmesse für Produktion, vom 23. bis 26. Januar
2024 in Hamburg zu erfahren sein.
Lange Nutzungsdauer reduziert CO2-Fußabdruck
Ein erster und oft erstaunlich wirksamer Schritt auf dem Weg zur
klimafreundlichen Produktion ist der maßvolle Umgang mit Produktionskapital
sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. „Nichts ist so nachhaltig, wie
Maschinen möglichst lange zu nutzen", erklärt Stephan Mayer, Leiter der
Division Werkzeugmaschinen des Lasertechnikspezialisten und NORTEC-
Ausstellers Trumpf mit Sitz im schwäbischen Ditzingen. Das
Familienunternehmen Trumpf hat Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil seiner
Strategie erklärt. So verweist Mayer darauf, dass bei der Herstellung einer
Tonne Stahl rund 1,4 Tonnen CO2 anfallen. Maschinen in der Blechfertigung
bringen nicht selten über 10 Tonnen auf die Waage.
„Unternehmen reduzieren ihren CO2-Fußabdruck enorm, wenn sie ihre
Maschinen bis an ihr Lebensende im Feld lassen", erklärt Mayer. Dabei will
Trumpf seine Kunden vielfältig unterstützen, etwa durch besonders langlebige
und robuste Maschinen oder die Möglichkeit, gebrauchte Anlagen wieder
aufzuarbeiten. Dazu zählt, wichtige Funktionen nachzurüsten und die Anlage
dadurch länger in Betrieb zu halten.
Denn entspricht eine Maschine aus der Blechfertigung nicht mehr den
aktuellen Standards, muss sie noch lange nicht verschrottet werden. Trumpf
bietet mehrere Lösungen an, um ältere Maschinen wieder auf Vordermann zu
bringen. Dazu gehört etwa das OPC UA-Retrofit. Damit können
Anwenderinnen und Anwender ihre älteren Bestandsmaschinen um eine OPC
UA-Schnittstelle erweitern, dem internationalen, plattformunabhängigen
Standard für den Datenaustausch in der Fertigung.
Eine weitere Nachrüstlösung von Trumpf ist der Windows-Retrofit. Die
Technologie hilft dabei, die steigenden Anforderungen an IT-Systeme
innerhalb des Firmennetzwerks bei älteren Maschinen einzuhalten.
Material sparen mit intelligenten Algorithmen
„Der größte Hebel für den Klimaschutz ist allerdings, in der Fertigung Material
einzusparen", betont Mayer. Dabei helfen neben dem Wissen erfahrener
Fachkräfte mittlerweile auch intelligente Computeralgorithmen. „Mit keinem
mir bekannten Algorithmus am Markt lassen sich mehr Teile aus einer
Blechtafel herausschneiden als mit unserem", nennt der Trumpf-Manager als
Beispiel. Mit der Nanojoint-Technologie für das Laserschneiden lassen sich
die Teile sogar wie bei einem Puzzlespiel direkt nebeneinander auf der
Blechtafel platzieren. „Das reduziert den Ausschuss deutlich", so Mayer.
Und das funktioniert so: Normalerweise lässt der Laser kleine Stege stehen,
wenn er die Bauteile aus der Blechtafel schneidet. Diese so genannten
Mikrojoints verhindern, dass die Bauteile beim Schneiden verkippen. Beim
Nanojoint-Verfahren erzeugt der Laser noch kleinere Haltepunkte, an denen
er das Metall nicht vollständig durchtrennt. Das spart Material, denn anders
als bei den herkömmlichen Mikrojoints lassen sich die Bauteile jetzt direkt
nebeneinander auf der Blechtafel schachteln.
Höhere Materialeffizienz ist also ein wesentlicher Schlüssel zur Steigerung der
Nachhaltigkeit. So sieht das auch der Wissenschaftler Christoph Herrmann,
Leiter des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST in
Braunschweig. „Es gilt, die Materialeffizienz über die gesamte Prozesskette zu
steigern, denn höhere Effizienz bedeutet in der Regel auch einen geringeren
Energiebedarf", sagt Herrmann, der auch Universitätsprofessor für
Nachhaltige Produktion und Life Cycle Engineering sowie Leiter des Instituts
für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der Technischen
Universität Braunschweig ist. Unter dem Dach der WGP (Wissenschaftlichen
Gesellschaft für Produktionstechnik) hat er zudem an der Energieeffizienz-
Initiative mitgewirkt.
Stoffkreisläufe klein- und großräumig schließen
Neben höherer Material- und Energieeffizienz muss die Industrie auch die mit
der Werkzeugmaschine verbundenen peripheren Systeme im Blick behalten,
wie etwa die Kühlschmierstoffversorgung. Diese müsse auf erneuerbare
Ressourcen umgestellt werden – etwa durch bio-basierte Öle und Additive für
die Formulierung des Kühlschmierstoffs, sagt der Wissenschaftler.
So hat der Kühlschmierstoffhersteller Oemeta aus Uetersen bei Hamburg
einen mineralölfreien wassermischbaren Kühlschmierstoff aus synthetischen
Esterölen für anspruchsvolle Zerspanungsprozesse entwickelt. Bei der
Herstellung von synthetischen Estern wird die chemisch aus nativen Ölen
gewonnene Fettsäure gezielt mit einem ebenfalls aus natürlichem Ursprung
gewonnenen oder einem synthetischen Alkohol in Reaktion gebracht.
Synthetische Esteröle sind wie native Pflanzenöle mineralölfrei und biologisch
abbaubar, meist aber wesentlich haltbarer und leistungsfähiger.
Um den Weg zur Kreislaufwirtschaft zu beschreiten, sind viele kleinere
Schritte erforderlich. Zugleich ist ein durchdachtes Gesamtkonzept wichtig, um
die große gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu meistern. Welche innovativen
Ansätze in der industriellen Produktion sind dabei besonders
vielversprechend? Welche davon haben es bereits von der Forschung in die
industrielle Praxis geschafft? Und welche haben das größte Potenzial in der
Zukunft? Herrmann hält es für zentral, die Stoffkreisläufe sowohl klein- als
auch großräumig zu schließen. „Seit einigen Jahren forschen wir an zirkulären
Fabriken als Ort, an dem sowohl Produkte hergestellt als auch gebrauchte
Produkte fertigungs- und verfahrenstechnisch so prozessiert werden, dass
Produkt- und Materialkreisläufe geschlossen werden", sagt Herrmann. Dieser
Ansatz, auch verbunden mit einem höheren Grad an Dezentralität, sei sehr
vielversprechend.
Ökologische Nachhaltigkeit kann zudem nur erreicht werden, wenn neben der
Werkzeugmaschine auch die Hintergrundsysteme klimaneutral werden.
Konkret bedeutet das etwa die Erzeugung und Nutzung regenerativer
Energien – entweder durch eigene Anlagen am oder in unmittelbarer Nähe
zum Produktionsstandort oder durch entsprechende Energieverträge, wie
Herrmann erklärt. Als aktuelles Beispiel dazu führt er die Fabriktransformation
des Werks der Robert Bosch Elektronik GmbH in Salzgitter an. Hier komme
gleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen zum Einsatz - angefangen von
Photovoltaik über Abwärmenutzung aus einem benachbarten Stahlwerk bis
hin zur Nutzung von grünem Wasserstoff.
Photovoltaik, Geothermie und Windkraft
Auch Trumpf nimmt für sich in Anspruch, selbst viel zu tun, um möglichst
nachhaltig zu fertigen. „Wir produzieren einen Teil unseres Stromverbrauchs
selbst, beispielsweise über Photovoltaikanlagen auf unseren Dächern", erklärt
Mayer. Außerdem prüft das Unternehmen, an welchen Standorten sich
Geothermie und Windkraft eignen. Zudem nutzt der
Werkzeugmaschinenbauer die Abwärme seiner Lasermaschinen zum Heizen
von Gebäuden und hat den Fuhrpark elektrifiziert. „An unserem Stammsitz in
Ditzingen betreiben wir zudem eine der größten Elektrotankstellen
Süddeutschlands", sagt der Manager.
Der Werkzeugmaschinenhersteller produziert nach eigenen Angaben bereits
seit 2020 bilanziell CO2-neutral. „Wir möchten unsere Bilanz nicht allein durch
den Kauf von Zertifikaten verbessern, sondern mehr und mehr den Ausstoß
reduzieren", erklärt Mayer. Trumpf habe an all seinen Standorten im Jahr
2022 nur noch halb so viel CO2 wie im Geschäftsjahr 2018/19 verursacht, trotz
starken Wachstums. „Wir sind also auf einem guten Weg zur Klimaneutralität."
Kreislaufwirtschaft per Design
Nachhaltigkeit ist in der über 100-jährigen Unternehmensgeschichte „ein Teil
der DNA", bekräftigt er weiter. Der Kreislaufwirtschaft gehöre die Zukunft. Man
werde Produkte und Komponenten bereits in der Entwicklungsphase so
gestalten, dass sie sich wiederverwerten oder zumindest gut recyceln lassen,
sozusagen „Kreislaufwirtschaft per Design“.
Bis der Umbau der gesamten Industrieproduktion zur Kreislaufwirtschaft
vollzogen ist, bleibt also noch viel zu tun. Die NORTEC wird zeigen, welche
Möglichkeiten es heute schon gibt, die Industrieproduktion klimaschonend zu
gestalten und nachhaltige Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln. Auf
zwei Bühnen, dem Auditorium und der Speakers' Corner, werden täglich
Vorträge, Workshops und Diskussionen rund um aktuelle Themen in der
Produktionstechnik präsentiert. Am 24. Januar finden zwischen 13 und 16 Uhr
im FormUM@NORTEC zahlreiche inspirierende Impulse und Gespräche zum
Schwerpunktthema Nachhaltigkeit statt. Am 25. Januar um 13 Uhr lädt zudem
der VDMA Landesverband Nord im Auditorium auf der NORTEC zu einem
Workshop zum Thema „"Nachhaltigkeit in der Produktion – ein
Wettbewerbsvorteil?" ein. Quelle: NORTEC
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