Alternative Kraftstoffe für Versorgungssicherheit und sofort wirksamen Klimaschutz im Verkehr konsequent nutzen

Kategorie: 
Konferenz
Schwerpunktthema: 
Fahrzeug-Telematik
Berlin, 16. Januar 2023
Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energie-Krise bestätigt deutlich die europäische Abhängigkeit,
insbesondere Deutschlands, von fossilen Gas- und Erdöllieferungen aus Russland, die durch neue
Lieferpartner ersetzt werden müssen. „Diese Abhängigkeit belastet spürbar nicht nur die nationalen
Haushalte, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union. Die mit der Reform der
Europäischen Lastenteilungsverordnung und der Erneuerbare Energien Richtlinie (RED III) beabsichtigte
Anhebung der Klimaschutzziele und des zu erreichenden Anteils erneuerbarer Energien wird bis 2030
kaum noch erfüllbar sein, wenn wir weiterhin auf fossile Energieträger setzen, anstatt in sämtlichen
Sektoren schneller auf erneuerbare Energien umzusteigen”, befürchtet der Vorsitzende des
Bundesverbandes Bioenergie (BBE), Artur Auernhammer. Vor diesem Hintergrund sei nicht
nachvollziehbar, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Verbund mit
Bundesumweltministerin Steffi Lemke wiederholt die Bedeutung und damit die Zukunft von nachhaltig
zertifizierten Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse in Frage stellt.
Nachhaltige Biokraftstoffe sind für den Klimaschutz im Verkehr aktuell unverzichtbar: Biokraftstoffe
haben im Jahr 2021 den CO2-Ausstoß im Verkehr um rund 11,1 Millionen Tonnen vermindert. Das
entspricht der Menge an Treibhausgas-Einsparung, die als Überschreitung im nationalen
Klimaschutzgesetz für das Jahr 2022 prognostiziert wird. Biokraftstoffe leisteten wie in den Vorjahren
den mit Abstand größten Beitrag zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes im Verkehr. Die
durchschnittliche Einsparung der Biokraftstoffe im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen stieg im Jahr 2021
auf 84 Prozent (2020: 83 Prozent). „Mit der Einführung und schrittweisen Anhebung der Treibhausgas-
Quotenverpflichtung wurden starre Quotenvorgaben auf energetischer Basis bei Biokraftstoffen von dem
hierdurch initiierten Effizienzwettbewerb abgelöst. Dieser ressourcenpolitisch erwünschte Effekt hat zum
Ergebnis, dass sich für die Erfüllung der Quotenverpflichtung physisch der Mengenbedarf reduziert.
Dieser Effekt ist an der Rohstoffzusammensetzung der angerechneten Biokraftstoffmengen ablesbar. Die
deutsche Regelung ist daher Vorbild für die Ausrichtung der Klimaschutzpolitik im Verkehr in anderen
EU-Mitgliedstaaten. Klimaschutz im Verkehr ist ohne Biodiesel, Bioethanol und Biomethan nicht
denkbar,“ so Artur Auernhammer.
 
Die Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) verpflichtet die Mineralölindustrie, den
Treibhausgasausstoß ihrer Kraftstoffe im Vergleich zum Jahr 2010 um einen bestimmten Prozentsatz zu
senken. Insgesamt hat die Mineralölindustrie die deutsche THG-Quote im Jahr 2021 deutlich übererfüllt. In
Summe wurden dadurch nach aktuellen Angaben der Generalzolldirektion (GZD) über 15 Millionen Tonnen
CO2-Reduzierung angerechnet. Dies entspricht einer Minderung in Höhe von 7,26 Prozent. Gesetzlich
vorgeschrieben waren seinerzeit lediglich 6 Prozent. Überschießende Mengen können auf Folgejahre
übertragen werden. Den größten Beitrag leisteten Biodiesel, Bioethanol und Biomethan, die den
Treibhausgas-Ausstoß um 11,1 Millionen Tonnen CO2 reduzierten. Elektromobilität sparte lediglich knapp
25.000 Tonnen CO2 ein. „Biodiesel, Bioethanol und Biomethan sind nachhaltig und das Rückgrat der
Treibhausgasminderung im Mobilitätssektor, und dies wird auch in den kommenden Jahren bis 2030 so
bleiben,“ stellt Artur Auernhammer heraus.
 
„Wir gehen davon aus, dass durch die steigende THG-Quote bis zum Jahr 2030 insgesamt rund 175 Mio.
Tonnen CO2 im Verkehr eingespart werden. 110 Mio. Tonnen CO2 dieser Gesamteinsparung werden dabei
durch nachhaltige Biokraftstoffe beigesteuert. Bei allem Potenzial, das in der Elektromobilität und der
Brennstoffzelle liegt, verdeutlicht dies, dass zur Erreichung der Klimaschutzziele an den markteingeführten
Biokraftstoffen kein Weg vorbeiführt”, so Auernhammer. Es ist bereits heute absehbar, dass auch bei
Erfüllung der ambitionierten Elektromobilitätsziele im Jahr 2030 der weitaus größere Teil der Fahrzeugflotte
mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein wird. Allein in Deutschland sind im vergangenen Jahr noch über
60 Millionen Verbrenner gemeldet. Auch diese müssen einen steigenden Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Richtig ist daher, dass der aktuelle Klimaschutzbeitrag der markteingeführten nachhaltigen Biokraftstoffe
mindestens abgesichert und durch den Ausbau fortschrittlicher Biokraftstoffe und schließlich auch
synthetischer Kraftstoffe ergänzt wird. Hierzu bedarf es einer Nationalen Kraftstoff- und Antriebsstrategie,
die alle Minderungsoptionen im Tank und in der Batterie berücksichtigt, und keiner weiteren Forderungen
seitens des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir nach einem Verzicht auf Biokraftstoffe aus
Anbaubiomasse.
 
„Die Bundesregierung darf sich nicht einseitig auf die Elektrifizierung festlegen. Verlierer wäre unter den
aktuellen Bedingungen der Klimaschutz im Verkehr und der Steuerzahler. Im Falle der Nichterfüllung
deutscher Klimaschutzziele müssen schließlich Emissionsrechte von anderen EU-Mitgliedstaaten zugekauft
werden”, bekräftigt Auernhammer die Forderung der Verbände. So musste die Bundesregierung für den
Zeitraum 2013 bis 2021 11 Millionen Emissionsrechte zukaufen, Nutznießer waren Bulgarien, Tschechien
und Ungarn.
 
Nachhaltige Biokraftstoffe leisten zudem einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Ernährungssicherung.
Bei der Erzeugung von Biokraftstoffen aus nachhaltig zertifizierten Ölsaaten, Zuckerrüben und
Futtergetreide werden unter anderem hochwertiges Eiweißfutter und die biobasierten Basischemikalien
Glycerin und Ethanol gewonnen. Die Verarbeitung dieser Rohstoffe dient damit der Ernährungssicherung
aus heimischer Produktion sowie der Transformation hin zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft. Auch
dieser “Ernteertrag” wird bei der kürzlich vom Bundeslandwirtschaftsminister erneut ins Spiel gebrachten
Position zur Abschaffung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse nicht berücksichtigt, kritisiert der BBE-
Vorsitzende.
 
Die Verbände weisen weiterhin darauf hin, dass Biokraftstoffe im Jahr 2021 wirtschaftliche Impulse in Höhe
von 4,97 Milliarden Euro erzielten. Die gesamte Herstellungskette im Biokraftstoffsektor sichert rund
20.000 Arbeitsplätze, zumeist im ländlichen Raum. Vor dem Hintergrund der Bedeutung von nachhaltigen
Biokraftstoffen für Klimaschutz und Versorgungssicherheit fordern die Verbände von der Bundesregierung
Verlässlichkeit in der Biokraftstoffpolitik ein. Dies gelte auch für die anstehende Erarbeitung einer
nationalen Biomassestrategie, zu der im Herbst 2022 erste Eckpunkte vorgelegt wurden. Darin seien bei
Biokraftstoffen auch die Wertschöpfungsketten zur stofflichen und zur Futtermittelnutzung zu
berücksichtigen, die sich über Jahrzehnte auch in ihrer Effizienz als Beitrag zur Treibhausgasminderung
entwickelt haben. „Das vorhandene Biomassepotential muss durch die nationale Biomassestrategie optimal
ausgenutzt werden. Nachhaltig genutzte Anbaubiomasse kann auch zukünftig einen wertvollen Beitrag zum
Klima- und Artenschutz leisten sowie gleichzeitig der Nahrungsmittel- und Energieproduktion dienen“, so
Artur Auernhammer.
 
Verlässliche Rahmenbedingungen für nachhaltige Biokraftstoffe werden von den Verbänden auch auf
europäischer Ebene eingefordert. Die EU-Richtlinie über die Qualität von Kraftstoffen (FQD) und die
Erneuerbare Energien Richtlinie der EU (RED II) sind wichtige Instrumente der EU-Gesetzgebung zur
Dekarbonisierung des Straßenverkehrs. Einem Bericht der Europäischen Kommission zufolge haben jedoch
nur 11 der 27 Mitgliedsstaaten das Ziel der FQD erreicht, die Treibhausgasintensität von Kraftstoffen und
Energie im Verkehr um mindestens 6 Prozent zu senken. „Ständige Änderungen der EU-Biokraftstoffpolitik
und der somit unsichere Rechtsrahmen lähmen das Potenzial pflanzenbasierter Biokraftstoffe sowie die
Entwicklung fortschrittlicher Biokraftstoffe und fördern stattdessen virtuelle Mengen erneuerbarer
Energieträger durch Multiplikatoren. Die Abhängigkeit der EU von fossilen Kraftstoffen lässt sich so nicht
verringern", kritisiert Auerhammer.
 
Verstöße einzelner EU-Mitgliedsstaaten gegen die Zielerfüllung, wie bei der FQD, müssen umgehend durch
die EU-Kommission sanktioniert werden, als Signal, bei Zielverfehlungen grundsätzlich durchzugreifen. So
werde der notwendige Druck zur Zielerreichung geschaffen. Diesen fordert der BBE-Vorsitzende auch mit
Blick auf den Entwurf der Ratspräsidentschaft zur EU-Energiesteuerrichtlinie (ETD), welcher nachhaltig
pflanzenbasierte Biokraftstoffe wie fossile Kraftstoffe behandelt. „Das ist nicht nachvollziehbar und
untergräbt die Klimaziele der EU sowie ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen“,
moniert Auernhammer.
 
Die Verbände weisen darauf hin, dass die laufenden Diskussionen über die Überarbeitung der Erneuerbare
Energien Richtlinie der EU (RED III) als Teil des Fit-for-55-EU-Gesetzespakets ein höheres THG-
Reduktionsziel für Kraftstoffe vorsehen: 16 Prozent (Vorschlag des Europäischen Parlaments) bzw. 13
Prozent (Vorschlag des Rates und der EU-Kommission).
 
Das vollständige Programm zum 20. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe
der Zukunft 2023“ am 23. und 24.1.2023 im CityCube in Berlin und Informationen zur Anmeldung finden

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