Gesundheitskongress des Westens: Lehren aus Corona, Ideen für die Zukunft

Kategorie: 
Kongress
Schwerpunktthema: 
Human-Telematik

Köln, 09.09.2020. Nach zwei Tagen intensiver gesundheitspolitischer Diskussionen ist heute Nachmittag der Gesundheitskongress des Westens zu Ende gegangen. Der erste große, physisch abgehaltene gesundheitspolitische Kongress seit Beginn der Corona-Pandemie fand aufgrund umfangreicher Hygienemaßnahmen mit weniger vor Ort präsenten Teilnehmern als normalerweise statt. Zugleich folgte knapp die Hälfte der rund 600 Teilnehmer dem Event per Videostream am Computer.

Das Kongressprogramm stand unter dem Motto „Gemeinsam große Herausforderungen bewältigen! Mut zur Zukunft - warum Corona uns noch stärker macht“ und griff in vielen Veranstaltungen die Konsequenzen aus der Pandemie auf.

Besonders war dabei die Krankenhauspolitik ein Schwerpunktthema. Bereits in der Eröffnungsveranstaltung hatte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann erläutert, dass er mit einem neuen Krankenhausrahmenplan Konsequenzen aus der Corona-Pandemie ziehen werden. Insbesondere solle für die Bevölkerung NRWs künftig eine Erreichbarkeit des nächsten Krankenhauses innerhalb von 20 Minuten gewährleistet werden, während bis dato 30 Minuten im Gespräch gewesen waren. Auch wolle er auf prognostizierte Behandlungskapazitäten nunmehr eine Sicherheitsreserve draufschlagen. Teil der von Laumann geplanten weitreichenden Reformen ist auch eine Festlegung, welche Krankenhäuser Leistungen welcher Art erbringen dürfen. Dazu müssten bestimmte Qualitätsanforderungen, etwa des Gemeinsamen Bundesausschusses, erfüllt sein.

Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, sprach sich explizit für eine Fortentwicklung des Krankenhaussektors aus: „Corona hat gezeigt, dass wir wirtschaftlich profitieren können, wenn wir ein leistungsfähiges Gesundheitswesen haben.“

Thomas Gemke, Landrat des Märkischer Kreises, kritisierte eine zunehmend inkonsistente Haltung der Bevölkerung bezüglich Klinikschließungen: „Da sind die Menschen ja nicht ehrlich mit sich selbst“, äußerte Gemke und beschrieb, dass viele Bürger an „Shitstorms“ gegen die Politik teilnähmen, sobald ein kleines, unwirtschaftliches Krankenhaus geschlossen werden solle, während sie zugleich für eigene chirurgische Eingriffe in spezialisierte Fachkliniken gingen.

Lutz Stroppe, ehemaliger Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, stellte das von ihm geleitete Projekt „Virtuelles Krankenhaus“ vor, mit dem Nordrhein-Westfalen zum Vorreiter bei Telekonsilen zwischen Kliniken werden soll: Bereits während der Corona-Krise hätten Krankenhäuser sich vielfach mit großem Erfolg bezüglich der Behandlung schwerer Beatmungsfälle von Spezialisten anderer Kliniken beraten lassen. Künftig sollen dies auch in den Fachgebieten Kardiologie, Onkologie und Seltene Erkrankungen implementiert werden.

Der Gesundheitskongress des Westens, führender Kongress für Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft im Westen Deutschlands, widmete sich auch vielen weiteren aktuellen Themenbereichen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, hob die Leistungen der niedergelassenen Mediziner während der Corona-Krise hervor und beschrieb, wie stark die Zäsur durch die Pandemie wirkte: In den letzten 70 Jahren habe bei Entscheidungen zwischen Wirtschaftlichkeit und Gesundheit fast immer das wirtschaftliche Interesse gesiegt, „bei Corona ist es das erste Mal, dass die Wirtschaft im Sinne der Gesundheit zurückstecken musste.“

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, bedauerte in seinem Redebeitrag das Aus für die Pflegekammer in Niedersachsen. Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen brauche die Pflege unbedingt eine eigene Interessenvertretung. Die Auflösung der Pflegekammer werde die Pflege in Niedersachsen nunmehr "stumm halten".

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Professor Josef Hecken, erläuterte das Konzept der anwendungsbegleitenden Datenerhebung in der Nutzenbewertung am Beispiel verschiedener Medikamente. Ziel sei, neuartige Therapien auch dann für die Behandlung von schwer kranken Patienten verfügbar zu machen, wenn evidenzbasierte Outcome-Daten noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung ständen. Dies sei insbesondere bei Onkologika und Arzneimitteln gegen Seltene Erkrankungen der Fall, die aber zugleich hohe Kosten verursachten. So seien nicht einmal 1,2 Prozent der Verordnungen der beiden Gruppen für knapp 28 Prozent der Arzneimittelkosten in der GKV verantwortlich. Hecken betonte, dass der Gemeinsame Bundesausschuss im Bemühen um zügige Nutzungsbewertungsverfahren in der Vergangenheit sechzehn Gesetzesänderungen beim Gesetzgeber erbeten habe, weil das Gesetz „einfach mit dem Leben nicht übereinstimmt“.

Der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, Dr. Johannes Bruns, kritisierte mangelnden Normierungswillen bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Um Gesundheitsdaten für eine verbesserte Krebstherapie nutzbar zu machen, müssten Behandlungsdaten so elektronisch zur Verfügung gestellt werden können, dass Forschungseinrichtungen damit Forschung betreiben können. Diese Interoperabilität sei aber nicht gegeben und werde auch nicht ausreichend forciert. In den Patientendatensätzen verschiedener Krankenhäuser stehe „schon das Geburtsdatum eines Patienten an jeweils unterschiedlicher Stelle”, so Bruns.

Der ehemalige Berliner Gesundheitssenator Ulf Fink, der als Kongresspräsident für den Gesundheitskongress des Westens fungiert, äußerte sich zufrieden mit dem Verlauf der in diesem Jahr erstmals hybrid abgehaltenen Veranstaltung: „Nicht nur viele Teilnehmer waren online zugeschaltet, sondern auch zahlreiche Referenten und Diskussionsteilnehmer. Ich bin erfreut zu sehen, dass das die Intensität des Gedankenaustauschs nicht behindert hat. Vielmehr hat Corona den Diskurs im Gesundheitswesen beflügelt – und das hat man beim diesjährigen Gesundheitskongress des Westens deutlich gemerkt.“

Der nächste Gesundheitskongress des Westens findet wieder wie üblich im Frühjahr statt, und zwar am 27. und 28. April 2021.

Quelle: WISO S. E. Consulting GmbH

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