Trotz vielversprechender Vorteile stoßen Anwendung von BIM im Bauwesen immer noch auf Hürden

Stuttgart, 17.01.2017.

Die Herausforderungen für das Bauwesen sind in den letzten Jahren eklatant gestiegen: mangelnder Wohnraum, zunehmende Digitalisierung und notwendige Energieeffizienz fordern fachübergreifende und kreative Lösungen von Industrie, Politik und Wissenschaft.

Die 14 Mitgliedsinstitute der Fraunhofer-Allianz Bau greifen aktuelle Bautrends auf und machen den Zusammenschluss so zum zentralen Ansprechpartner für die Baubranche in Sachen anwendungsorientierter Systemlösungen und Innovationen. Dabei stellen sie den Menschen und sein Bedürfnis nach komfortablen, gesunden und sicheren Lebensräumen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Auf der Sonderschau »Fraunhofer StadtLabor – mit Forschung und Entwicklung Lebensräume gestalten« von 16. bis 21. Januar 2017 auf der BAU 2017 (Halle C2, Stand 538) präsentiert die Fraunhofer-Allianz Bau auf 245 Quadratmetern nachhaltige Produkt- und Systemlösungen zu den vier Themenschwerpunkten »Ressourceneffizienz und Energiemanagement«, »Intelligente Fassade«, »Sicherheit und Komfort« sowie »Digitales Planen, Bauen und Betreiben«.

Herausforderung Digitalisierung

Die Bauindustrie steht international vor der Aufgabe, die stetig zunehmende Spezialisierung sowie die steigende Komplexität von Bauvorhaben mit ihren gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen zu meistern. Das deutsche Bauwesen ist gekennzeichnet von der Zusammenarbeit vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), die sich bei jedem Bauprojekt neu organisieren und mit ihren unterschiedlichen Geschäftsprozessen aufeinander abstimmen müssen. Um das Zusammenwirken zu optimieren und die Fehlerquote zu minimieren, setzen Architekten und Planer zunehmend auf Building Information Modeling, kurz BIM. Dabei wird über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes an einem zentralen digitalen Datenmodell gearbeitet. Die bessere Abstimmung aller Beteiligten sowie das Vermeiden von wiederholten, parallelen Dateneingaben steigern die Kosten- und Zeiteffizienz nachhaltig. Anhand eines »digitalen Zwillings« können zusätzlich Faktoren wie Raumklima, Akustik oder Energieverbrauch bereits in der Planungsphase des Gebäudes simuliert werden.

Doch trotz der vielversprechenden Vorteile stößt die Anwendung von BIM im Bauwesen immer noch auf Hürden, da unter anderem Investitionskosten, Mitarbeiterqualifikation und rechtliche Unsicherheiten hemmend wirken. Mit der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Initiative BIMiD (BIM-Referenzobjekt in Deutschland) arbeiten das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP daran, die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben. Anhand von Referenzprojekten sammeln sie Erfahrungen und generieren Empfehlungen für die Zukunft. Ein wesentliches Plus für die Nutzer ist hier die Anwendung spezieller Virtual Reality-Techniken, die es ermöglichen, dass der jeweilige Planungsstand auch für Laien anschaulich und selbsterklärend präsentiert werden kann.

Um auch kleinen und mittelständischen Unternehmen den Weg zu BIM zu ebnen, bindet das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF im Rahmen des Projekts BAU ZEIT, das von der Förderinitiative KMU-innovativ: Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt wird, gängige Planungstools wie MS Project oder Excel in BIM-Software ein.

Besucher der BAU erfahren im Themenbereich »Digitales Planen, Bauen und Betreiben« anschaulich wie BIM in der Praxis funktionieren kann und wie die Fraunhofer-Bauforschung die Digitalisierung vorantreibt.

Effizienz steigern, Ressourcen und Energie schonen

Mit dem Bestreben, Heizkosten zu reduzieren und so Energie zu sparen, forschen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT an sogenannten Phasenwechselmaterialien (PCM). Diese Speichermaterialien können durch das Wechseln ihres Aggregatzustands von fest auf flüssig und umgekehrt große Menge an Wärme speichern bzw. wieder abgeben. Bislang wurden sie dazu mikroverkapselt beispielsweise in Putze oder Wandfarben eingerührt. Nachteil dabei war, dass irgendwann alle Mikrokapseln umgewandelt sind und keine weitere Wärme mehr aufgenommen werden kann. Das Fraunhofer ICT hat ein Verfahren entwickelt, mit dem es möglich ist, größere Mengen PCM in geschäumte Platten zu integrieren. Damit erhöht sich deren thermische Masse bei gleichbleibender Dicke. Auf der BAU 2017 demonstrieren die Forscher anhand zweier Klimakammern, in welchem Maße unterschiedliche Mengen an PCM Temperaturschwankungen ausgleichen können.

Die Nutzung von Energieeinsparpotenzialen ist nicht nur aus ökologischen Gründen relevant, sondern kann einen maßgeblichen Beitrag zur Kostensenkung leisten. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS haben dazu – gemeinsam mit Partnern aus der Industrie – einen Hightech-Strommesser entwickelt, der mit speziellen NILM-Algorithmen (Non-Intrusive Load Monitoring) den Gesamtstromverbrauch nach einzelnen Geräten aufschlüsseln kann. Das Messgerät wird an einer zentralen Stelle (Einspeisepunkt) installiert und ersetzt das aufwändige Anbringen und Verwalten vieler Messgeräte (Sub-Metering). Anhand der Visualisierung der Verbräuche kann der Nutzer in Echtzeit sehen, wann welches Gerät läuft oder Defekte aufweist, die den Stromverbrauch in die Höhe treiben. Mit NILM lässt sich v.a. im Bereich von Industrie und Gewerbe der Energieverbrauch optimieren und dabei bis zu 12 Prozent senken. Im Themenbereich »Ressourceneffizienz und Energiemanagement« zeigt das Fraunhofer IMS anhand eines Prototyps, wie der Stromverbrauch von Kühlschrank, Kaffeemaschine oder Lampe mit dem SmartMeter gemessen und visualisiert wird.

Sichere und komfortable Lebensräume schaffen

Klimawandel, Terrorismus und soziale Konflikte lassen das Gefahrenpotenzial in unseren Lebensräumen wachsen. Das zwingt auch Planer dazu der zivilen Sicherheit noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die erforderliche strukturelle Risikoanalyse ist normalerweise ein sehr langwieriger Prozess, in dem einzelne Expertenmeinungen und Gutachten ausgewertet werden müssen. Die von der EU geförderte Entwicklung der Software VITRUV des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI vereinfacht diesen Prozess. Mit VITRUV können bereits in der Entwurfsphase ganze Quartiere strukturell analysiert werden, um Schwachstellen hinsichtlich der Sicherheitsaspekte zu identifizieren. Dabei können alle drei Arbeitsphasen der Stadtplanung bedient werden: in der Konzeptphase führt VITRUV eine empirische Risikoanalyse anhand historischer Daten durch, in der folgenden Planungsphase werden Anfälligkeit und Schwachstellen der Risikobereiche identifiziert, um schließlich in der Detailplanung konkrete Maßnahmen zur Risikominimierung vorzuschlagen. Aber auch bestehende Infrastrukturen lassen sich anhand der Software hinsichtlich Resilienz und Robustheit gegenüber Störungen optimieren. Dabei identifiziert und quantifiziert VITRUV nicht nur die Auswirkung verschiedener Bedrohungsszenarien, sondern ermittelt auch wie effektiv und teuer die erforderlichen Verstärkungsmaßnahmen wären.

Expertenforum: Von der Vision in die Praxis

Gemeinsam mit dem Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung e.V. (BAKA) sowie dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gestaltet die Fraunhofer-Allianz Bau auch 2017 wieder das Programm des Forums in Halle B0. Während des gesamten Messezeitraums können sich die Besucher hier unter dem Motto »Von der Vision in die Praxis« anhand von Fachvorträgen informieren. Quelle: Fraunhofer-Institut für Bauphysik

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