Teilautomatisierte Assistenzfunktionen im "ZF Smart Urban Vehicle"

Smart Parking Assist kombiniert Innovationen in Fahrwerk, Antrieb und Elektronik. Der Parkvorgang lässt sich mittels Smart Device auch von außerhalb des Fahrzeugs auslösen und parkt das Fahrzeug vollautomatisiert mit wenigen Zügen ein. Bild: ZF

Friedrichshafen, 06.07.2015.

Extrem wendig, lokal emissionsfrei sowie vernetzt mit Fahrer und Umwelt: Mit dem Smart Urban Vehicle zeigt ZF, welches Potenzial die intelligente Vernetzung einzelner Fahrwerk-, Antriebs- und Fahrerassistenzsysteme in sich trägt und präsentiert eine exemplarische Lösung für das Klein- und Kompaktsegment im urbanen Individualverkehr. Herzstück des Konzeptfahrzeugs ist der radnahe, rein elektrische Hinterachsantrieb eTB (electric Twist Beam), der es ermöglicht, das grundlegende Layout des Smart Urban Vehicle neu zu gestalten.  

Das Lenkrad im Smart Urban Vehicle mit Hands On Detection und OLED-Display ist eine Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug und bildet so die Grundlage für Assistenz- und automatisierte Fahrfunktionen. Bild: ZF

Auch die Vorderachse zeigt sich innovativ: Einschlagwinkel von bis zu 75 Grad erhöhen die Agilität und Wendigkeit des Prototyps enorm. Für zusätzlichen Komfort sowie für Sicherheit und Effizienz sorgen zwei Fahrerassistenzfunktionen: Smart Parking Assist manövriert das Fahrzeug in nahezu jede noch so kleine Lücke – per Knopfdruck ferngesteuert über Mobile Devices wie Smartphone oder Smart Watch. Komfortables und effizientes Fahren ist mit dem Konzeptfahrzeug dank der cloudbasierten Assistenzfunktion PreVision Cloud Assist möglich. Die Konzeptstudie reguliert z.B. bei Bedarf rechtzeitig vor Kurveneinfahrt das Antriebsmoment nach unten und drosselt so ohne mechanischen Bremsvorgang die Geschwindigkeit. Auch über das Lenkrad steht der Fahrer im direkten Kontakt zum Smart Urban Vehicle: Eine Berührungserkennung deckt die Lenkradfläche vollständig ab und bildet damit die Grundlage für Assistenz- und automatisierte Fahrfunktionen. Über ein OLED-Display in der direkten Sichtachse werden dem Fahrer zusätzliche Informationen vermittelt.

„Mit dem Smart Urban Vehicle zeigt ZF, welche konkreten Lösungen für den städtischen Individualverkehr wir heute schon allein dadurch erzielen können, wenn bestehende Technologien und Systeme im Fahrzeug miteinander vernetzt werden, sie mit dem Fahrer, mit dessen Verhalten und mit der Umwelt interagieren oder sie auf Datenmaterial zugreifen lassen, das mittels Cloud Connectivity an jedem beliebigen Ort zur Verfügung steht“, erklärt Dr. Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG. „Gleichzeitig markiert diese Studie gewissermaßen auch einen Startpunkt, von dem aus sich die Konzepte für die urbane Mobilität der Zukunft sehr konkret weiterdenken lassen – auch im Hinblick auf die neuen Kompetenzfelder, die aus der Übernahme von TRW für den ZF Konzern erwachsen.“

Komplett neu aufgebaut
Mit dem Smart Urban Vehicle präsentiert ZF ein Elektrofahrzeug, das auf Basis eines Standard-Kleinwagens komplett eigenständig aufgebaut wurde. Seine Leistung bezieht das Konzeptfahrzeug aus einer Traktionsbatterie, die in insgesamt drei Modulen an der Vorder- und Hinterachse Platz findet. Den Antrieb übernimmt die Verbundlenker-Hinterachse eTB (electric Twist Beam) von ZF, an deren linken und rechtem Rad je eine kompakte Antriebseinheit mit einer Leistung von 40 Kilowatt sitzt. Bei einem Achsmoment von 1.400 Newtonmetern und einer Maximaldrehzahl von 21.000 Umdrehungen pro Minute erreicht das grundsätzlich auf den innerstädtischen Verkehr ausgelegte Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde.

Wendig durch die Stadt
„An der Vorderachse haben wir ein neues Konzept mit Einschlagwinkeln von bis zu 75 Grad realisiert“, erklärt Dr. Harald Naunheimer, Leiter Forschung und Entwicklung der ZF Friedrichshafen AG. Das innovative Fahrwerkkonzept reduziert damit den Lenkaufwand bei Park- und Wendemanövern deutlich und erhöht damit vor allem die Wendigkeit des Kleinwagens: Dank des veränderten Radeinschlags verringert sich der Wendekreisdurchmesser des Smart Urban Vehicle auf weniger als sieben Meter – ein U-Turn, also ein Wendemanöver von 180 Grad, auf einer gängigen zweispurigen Straße ist damit ohne Schwierigkeit möglich. Unterstützt werden die Lenkbewegungen an der Vorderachse vom Torque-Vectoring-System des Hinterachsantriebs, das die Antriebskraft individuell auf die beiden Hinterräder verteilt und das Anfahren bei derartig großen Radeinschlägen erst ermöglicht. Damit lässt sich das Konzeptfahrzeug auch in äußerst kleine Parklücken von etwa vier Metern Länge bequem in meist nur einem Zug manövrieren.

Erkannt, gedrückt, geparkt: Der ZF Smart Parking Assist
Besonders deutlich werden die Vorzüge des neuen Vorderachskonzepts im Zusammenspiel mit der im Smart Urban Vehicle realisierten Fahrerassistenzfunktion Smart Parking Assist. Das System unterstützt den Fahrer nicht nur bei der Erkennung passender Parkplätze, sondern kann den Wagen auch vollautomatisch längs oder quer zur Fahrtrichtung parken. Seine Informationen bezieht der Parkassistent von zwölf Ultraschallsensoren und zwei Infrarotsensoren an Front-, Heck- und Längsseiten des Fahrzeugs, die einen geeigneten Parkplatz ermitteln. Die Steuerelektronik verarbeitet die Informationen und regelt alle an der Parkfunktion beteiligten Systeme – beispielsweise den Elektroantrieb und den benötigten Lenkeinschlag der Elektrolenkung. Der Fahrer kann während des Vorgangs über das Display im Cockpit mit dem Fahrzeug interagieren oder die Parkfunktion erst nach dem Aussteigen mittels Applikation auf einem Mobile Device, z.B. einer Smart Watch, auslösen. Das Smart Urban Vehicle sucht danach selbständig in Schrittgeschwindigkeit die Umgebung nach der passenden Lücke ab und leitet den Parkvorgang selbstständig ein.

Komfort für den Fahrer, Entlastung für die Städte
Für die Zukunft sind mit dem Smart Parking Assist Szenarien denkbar, die dem Fahrer einen zusätzlichen Nutzen bringen: Denn wenn das Fahrzeug nach dem Ausstieg am Zielort autonom ein freies Parkhaus ansteuert, spart das wertvolle Zeit. „Bei der Umsetzung des Konzepts hatten wir aber nicht nur den Vorteil für den Fahrer im Blick“, erläutert Harald Naunheimer. „Wenn Pkw in Zukunft fahrerlos einparken, können auch die Parkflächen effektiver genutzt werden. Denn die Türöffnungswinkel müssten dann im Parkhaus nicht mehr berücksichtigt werden – die Parkplätze werden kleiner. Das entlastet auch die Städte, weil die gewonnenen Flächen dann als zusätzliche Lebens- oder Arbeitsräume sinnvoll genutzt werden können.“

Fahrerfahrung aus der Cloud
Für maximale Reichweite und Fahrsicherheit sorgt im Smart Urban Vehicle die cloudbasierte Fahrerassistenzfunktion ZF PreVision Cloud Assist. Im Gegensatz zu rein GPS-unterstützten Systemen berücksichtigt die Konzeptstudie von ZF nicht nur Geometriedaten und Informationen zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit, sondern speichert bei jeder Fahrt zusätzlich Daten zur Fahrzeugposition, aktuell gefahrenen Geschwindigkeit sowie Quer- und Längsbeschleunigung in der Cloud. Wird die Strecke erneut zurückgelegt, berechnet das System anhand dieser Erfahrungswerte und Daten die optimale Geschwindigkeit für eine nahende Kurve. Die Assistenzfunktion reguliert dann frühzeitig vor der Kurveneinfahrt das Drehmoment so weit nach unten, bis die Kurve ohne mechanischen Bremsvorgang gefahren werden kann. Das schont nicht nur Batterie und Bremssystem des Fahrzeugs, sondern sorgt auch für mehr Sicherheit gerade bei unübersichtlichen Kurven.

Kommunikation über das Lenkrad
Der Fahrer ist zu jeder Zeit über das Eingreifen von PreVision Cloud Assist informiert: Denn das multifunktionale Lenkrad, das ZF im Smart Urban Vehicle einsetzt, verfügt im Lenkradkranz in der direkten Sichtachse des Fahrers über ein OLED-Display. Dieses zeigt zum Beispiel an, wieviel Antriebsmoment das Fahrerassistenzsystem vor Kurveneinfahrt wegnimmt – oder nach der Kurve wieder zur Verfügung stellt.

Aber auch mittels der Berührungserkennung HOD (Hands On Detection) steht der Fahrer im direkten Kontakt zum Smart Urban Vehicle. Das kapazitive System deckt die Lenkradfläche vollständig ab und erkennt, ob der Fahrer das Lenkrad festhält. Der identifizierte Zustand wird mittels LIN (Local Interconnect Network) von der im Lenkrad befindlichen Recheneinheit in ein digitales Signal verwandelt und ans Fahrzeug gesendet. Dieses alarmiert je nach Situation den Fahrer oder aktiviert die zur Verfügung stehenden Assistenzsysteme.

„Mit der Hands On Detection schaffen wir die Grundlage für Assistenz- und automatisierte Fahrfunktionen, die den Fahrer entlasten – beispielsweise im urbanen Verkehr, der zu Stoßzeiten von anstrengenden Stop-and-Go-Phasen geprägt ist“, erklärt Dr. Alois Seewald, Technical Director Integrated Active & Passive Safety Technologies bei ZF TRW. Diese Assistenzsysteme sorgen zum Beispiel selbstständig für ausreichend Abstand zum Vordermann oder leiten sicher einen notwendigen Bremsvorgang ein. „Damit können wir die Fahrsicherheit erhöhen – selbst wenn der Fahrer seine Hände nicht am Steuer hat.“

 

Quelle: ZF Friedrichshafen AG 

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